Auf Erden im Himmel
TEXT Daniela Illich FOTOS hiepler, brunier | Geran de Klerk | Sebastian Unrau
Hinter dem Gesundheitszentrum Rickatschwende beginnt der Bregenzerwald. Hier in Vorarlberg sind die naturbelassensten Wälder des Landes Österreich. Sie sind ein Paradies für Kurgäste, die in der Natur Ruhe und Entspannung suchen. Normalerweise macht man in dieser Gegend nicht jeden Trend mit. Aber Wanderungen durch die stillen Wälder und sanften Auen sind hier seit jeher eine willkommene Ergänzung bei Kuraufenthalten und ganz generell eine beliebte Freizeitaktivität bei Jung und Alt.
Das Hirn auslüften
Forest Bathing ist in. Viele meinen, die Idee, im Wald zu baden, kommt aus Japan – dort wird Shinrin-Yoku auf Krankenschein verordnet. Der Grazer Biologe Clemens G. Arvay weiß, dass die japanischen Gesundheitsbehörden den Begriff in den 1980er-Jahren übernommen haben und es eigentlich ihre Nachbarn waren: „In China heißt das Waldbaden Senlinyu, das Konzept lässt sich 2.500 Jahre zurückverfolgen.“ Damals seien Qi-Gong-Meister in die Natur gegangen und haben bei Atem- und Bewegungsübungen das Qi des Waldes aufgenommen. Heute sei die Waldmedizin dort weitgehend in Vergessenheit geraten, in Japan aber eine anerkannte Behandlungsmethode. Auch hierzulande gehen viele in den Wald, weil sie besser entspannen und den Gedankenlärm verblasen können. So wie Ulli Felber, für sie war er schon immer das Allheilmittel: „Wenn ich als Kind traurig war, hat meine Mutter gesagt – geh in den Wald! Mein Vater hat mir die Bäume erklärt und Märchen erzählt. Danach habe ich mich besser gefühlt.“ Die Liebe zum Wald ist Felber geblieben. Heute nimmt die diplomierte Burnout-Prophylaxe-Trainerin Klienten zu Einzeltrainings und Workshops mit in den steirischen Wald, auf Anfrage kommt sie auch in „fremde“ Wälder.
Und plötzlich will man alles das nicht mehr.“
Der Wald als Doktor
Warum fühlen wir uns aber im Wald so wohl? Clemens Arvay beschreibt es so: „Wir spüren einfach, dass der Wald uns guttut, die Natur ist unser evolutionäres Zuhause“. Tatsächlich ist es weit mehr als nur ein Wohlfühleffekt. „Die Waldluft ist ein Cocktail aus bioaktiven Substanzen, unter anderem den Terpenen, die der Abwehr von Krankheitserregern bei Pflanzen dienen. Die Terpene schützen beim Einatmen auch unsere Gesundheit, ich nenne das Biophilia-Effekt.“ Arvay rät dazu, sich mindestens zwei Tage im Monat in einem Waldgebiet aufzuhalten, idealerweise in einer Waldluft-Mischung aus Laub- und Nadelbäumen – die gibt es auch in vielen Städten. Dazu belegen Studien in Österreich und Japan, dass der Aufenthalt im Wald wirklich gesund ist. An der Nippon Medical School in Tokio wurde nachgewiesen, dass Terpene in der Waldluft die Aktivität und Anzahl der natürlichen Killerzellen und Anti-Krebs-Proteine im Blut erhöhen, das Immunsystem stärken, Blutdruck und Puls senken. Im Zuge der Mühlviertler Waldluftbadestudie hat Allgemeinmediziner Martin Spinka herausgefunden, dass sich vier Stunden pro Woche im Wald positiv auf das vegetative Nervensystem auswirken, die allgemeine Widerstandskraft und das Herz stärken und die Verdauung unterstützen.
Achtsamkeit
Wichtig bei allen Aufenthalten im Wald ist freilich die Achtsamkeit – sich selbst und der Natur gegenüber. So betreten zertifizierte Waldführer mit ihren Gruppen keinen Jungwald, wenn er unter drei Meter hoch ist, selbstverständlich lässt man keinen Müll liegen. Wer bewusst seine Sinne öffnet, aktiviert den Nerv der Ruhe, den Parasympathikus, und senkt die Stresshormone im Blut. Wie man sich im Wald am besten verhält, weiß Waldbotschafter Fritz Wolf: „Rennen Sie nicht durch den Wald, gehen Sie langsam und lassen Sie das Smartphone im Auto. Konzentrieren Sie sich auf die Geräusche, Gerüche und auf das Licht!“
Wald-Flow
Um die Wirkung eines Waldbades noch zu verstärken, macht Ulli Felber mit ihren Kursteilnehmern einfache Übungen, die zehn bis 20 Minuten dauern. Sie stellt sich hüftbreit hin, legt die Hände auf das Herz und atmet ein paar Mal langsam und tief durch die Nase. Bei jedem weiteren Einatmen führt sie die zur Seite gestreckten Arme über den Kopf, dreht die Handflächen nach außen und senkt sie beim Ausatmen wieder ab. Das Ganze wiederholt sie so lange, bis ein „Flow“ entsteht. „Dadurch werden die heilsamen Terpene der Waldluft noch intensiver aufgenommen“, so Felber, „durch den Flow kommt man tiefer in den Entspannungszustand.“ Tipp: Gehen Sie bei Nebel und Regen in den Wald, da ist die Konzentration der heilsamen Terpene am stärksten.