Heinz Hämmerle und Frau
Rickatschwende Inhaber KR Heinz Hämmerle

Die Liebe am Leben weitergeben

Liest man das Gästebuch der Rickatschwende, so könnte man meinen, in das F. X. Mayr Health Retreat am Bödele kämen vor allem Dichter, Denker, Literaten, Komponisten, Fotografen, Kalligrafen, Maler und Cartoonisten. Vielleicht aber finden die Gäste hier einfach jene Zeit, die sie sonst missen.


Sich nicht nur der Gesundheit widmen, sondern auch endlich wieder einmal lesen, schreiben, dichten, zeichnen. Ein Kurgast beendet sein Lob- und Dankesgedicht nach vier Seiten (!) mit den folgenden Worten: … Und eines Tags, nicht weit zum Glück, kehr ich an diesen Ort zurück: des „Stickerbosses“ bestes Stück, das – „Heinz sei Dank“ hab ich gebucht – tatsächlich seinesgleichen sucht.

Wie eine lange Reise ihren Anfang nahm

Aber wer ist der „Stickerboss Heinz“, bei dem sich der Gast hier für dessen bestes Stück bedankt? Als Heinz Hämmerle in Lustenau zur Welt kommt, marschiert die Wehrmacht im Rheinland ein und Marlene Dietrich wird gefeiert. Der 17. Juli 1937 ist ein Samstag, bedeckt und kühl bei 16 Grad, weitere Niederschläge werden angekündigt, jedoch Aufhellungen sind zu erwarten.

Der Vater betreibt, wie es in Lustenau in vielen Häusern üblich ist, eine eigene Stickerei. Er muss in den Krieg ziehen. Die Mutter vollbringt das Kunststück und bedient die zwanzig Meter lange Stickmaschine bis Kriegsende weitgehend allein. Heinz sieht seinen Vater während eines Heimaturlaubes zum letzten Mal. Die Franzosen marschieren in Lustenau ein. Der Vater kehrt nicht mehr zurück, die traditionsreiche Familienstickerei kommt zum Erliegen und Heinz Hämmerle bleibt mit seiner Mutter allein.

Der Bub besucht die Volksschule, die Hauptschule und die damals neue Handelsschule. Er hilft seiner Mutter beim Kochen und wo es ihn sonst braucht. Früh lernt er, Verantwortung zu übernehmen. Die Mutter beginnt wieder zu sticken. Ihr Leben ist alles andere als glamourös. Die Arbeit beginnt um sieben Uhr früh. Kurz vor Mittag steigt sie aufs Fahrrad, um schnell etwas einzukaufen. An Sonntagen bereitet sie die Arbeit für die halbe Woche vor. Heinz muss Stoffe aneinanderlegen. Sie näht sie zusammen. Als die beiden nach Stunden endlich fertig sind, schickt sie ihn, die Fahrräder zu ­putzen. Dann erst gönnen sie sich ein wenig Vergnügen und sehen sich ein Fußballmatch an. Mutter und Sohn sind ein starkes Team. Er bewundert ihren Fleiß und ihre Tüchtigkeit. Sie ist der Motor in ihrer kleinen Familie. Von ihr lernt er, was es heißt, sich durchzubeißen, nicht aufzugeben und Probleme anzupacken.

Die erste Begegnung

Der Bub bekommt Holzskier geschenkt. Ein Lustenauer besitzt einen Lastwagen, in dem darf er mit aufs Bödele fahren. Die Hänge sind noch kaum verbaut. Der Schnee fällt in tiefe Lagen. Die Abfahrt bis ins Eulental hinunter nach Dornbirn ist auf Brettern ohne Stahlkanten ein Abenteuer, wenn es zu eisig ist, umklammert er einen Laternenmast. Über die Langwies und die Bucklige Welt kommt er an einer Jausenstation vorbei. Er ahnt nicht, was für eine Bedeutung dieses Haus, die spätere Rickatschwende, bekommen soll. Fast vierzig Jahre wird es noch dauern.

Firmengründung

Nach der Handelsschule arbeitet Heinz Hämmerle in einem Stickereibetrieb und wird schon als Teenager von allen zum Chef gemacht. Diese Rolle bleibt ihm. Die Stickerei unterliegt, je nach Mode, starken Schwankungen. Zu einer Zeit, als es kaum Aufträge gibt, wagt er die Flucht nach vorn und gründet im Jahr 1958 seinen eigenen Exportbetrieb. Seine Mutter hat inzwischen wieder geheiratet und heißt jetzt Vogel. Heinz Hämmerle beteiligt sie und gründet die Exportfirma „Hämmerle und Vogel“. Er konzentriert sich auf das Kaufmännische, seine Mutter auf das Handwerk. Sie arbeitet für die Firma als Nachstickerin, bis sie achtzig Jahre alt ist, und bessert Stickfehler aus. Mit unendlicher Geduld und Hingabe zaubert sie winzige Blümchen, Pailletten- und Reliefstickereien, märchenhaft, aber extrem aufwendig. Das, was sie, ihre Schwester und all die anderen Frauen vollbringen, führt dazu, dass Lustenauer Stickereien die Modehäuser in Mailand, Paris und London erobern und auf dem nigerianischen Markt die glamouröse Garderobe stilbewusster Afrikanerinnen dominieren.

Bald wird das Gebäude zu klein, um den Export zu organisieren. Deswegen baut Heinz Hämmerle ein Betriebsgebäude und kauft Stickmaschinen dazu. Bei all seinen Aktivitäten wird er von seiner Frau Gertrude „Trudi“ unterstützt. Die beiden bekommen sechs Kinder. Heinz Hämmerle wird Präsident einer internationalen Vereinigung von Stickern, Webern und Strickern namens Celebride mit Sitz in Paris. Die Mitglieder kommen aus Italien, der Schweiz, Spanien, England, Belgien, Frankreich und der Türkei. Er wird Präsident des Stickereiverbandes Vorarlberg, Kammerfunktionär und sitzt im Aufsichtsrat mehrerer Gremien. Zu seinen Kunden gehören Victoria’s Secret, Agent Provocateur, Triumph, Chanel und Akris. Er unterhält gute Kontakte mit Politikern, hohen Beamten und Direktoren. Nebenbei spielt er Tennis, bringt es zu etlichen Meisterschaften und baut 1966 in Lustenau Vorarlbergs erste Tennishalle. Alles zusammen ist vielleicht doch ein bisschen viel.

„Ich will keinen Hokuspokus. Ich will seriöse Medizin.“
KR Heinz Hämmerle
Rickatschwende Inhaber

Gesundheit wird Chefsache

Im Jahr 1980 zwickt der Magen. Ein Arzt schickt Heinz Hämmerle nach Graz, um eine F. X. Mayr Kur zu machen. Tee trinken, entgiften, entschlacken, regenerieren. Heinz Hämmerle findet zu sich selbst. Er staunt, wie leichtfüßig er den Berg hochkommt und fühlt sich so gesund wie nie zuvor. Die Kur hat ihn begeistert. Er will sie nach Vorarlberg bringen und hört von einem Sporthotel, das nicht gut läuft. Von einem Freund will er wissen, wem es gehört. „Das gehört uns“, antwortet der Freund – er ist Direktor der Hypobank. Fünf Jahre dauern die Verhandlungen. Dann geht der Kauf über die Bühne.

Die Umbauten und Renovierungen sind gravierend. Aber wenn Heinz Hämmerle eine Idee hat, dann zieht er sie durch, mit allen Konsequenzen, mit großem persönlichen Einsatz, mit allen Entbehrungen und Schwierigkeiten, die auf ihn zukommen. Auch wenn er Neid und Missgunst zu spüren bekommt und sich von manch einem als „Spinner“ bezeichnen lassen muss, nimmt er Kontakt auf mit Dr. Rauch und Dr. Kojer, deren Ziel es ist, das Lebenswerk F. X. Mayrs fortzusetzen und die Qualität der Kur in Rickatschwende zu sichern. Heinz Hämmerle stellt den blutjungen Arzt Dr. Wolfgang Moosburger ein. Dr. Kojer hält Vorträge. Heinz Hämmerle lädt Internisten ein und hofft, von ihnen Patienten geschickt zu bekommen. Leider tun sie das nicht und die Anfänge sind schwer.

Qualität spricht sich herum 

Menschen, die ihre Migräne oder andere Beschwerden durch die Kur loswerden, sind schlussendlich die beste Werbung. Im Laufe der Jahre investiert Heinz Hämmerle Unsummen. Der Großteil der Kurgäste kommt aus der Schweiz. „Sie sind einen hohen Standard gewöhnt und wir müssen ihnen stets etwas Neues bieten.“ Nur mit der fernöstlichen Medizin hat Heinz Hämmerle so seine Schwierigkeiten. Yoga findet er gut, solange die Bewegung im Vordergrund steht, aber wenn etwas zur Religion wird, lehnt er es ab. Das bekommt der eine oder andere Mitarbeiter zu spüren. „Ich will keinen Hokuspokus. Ich will seriöse Medizin“, sagt Heinz Hämmerle. Besonders stolz ist er auf die hauseigene Quelle – zwischen Langwies und Schwende Alp sprudelt sie aus einer Tiefe von neun Metern. Eine Turbine erzeugt hoteleigenen Strom. Aus zwölf Wärmepumpen, die 250 Meter in den Boden reichen, wird ebenfalls Energie gewonnen.

Energie für einen Tausendsassa

Eine Kur gönnt er sich viel zu selten. „Da muss man abschalten können.“ Zur Entspannung spielt er Golf, für ihn der schönste Sport – das Laufen in der Natur. Er ist stolz auf seine tüchtigen Kinder und die zwölf Enkelkinder. Über sein Privatleben spricht Heinz Hämmerle dennoch nicht sehr gern. „Leute, die mich kennen, wissen, wie ich bin. Das genügt.“ Ein Motto begleitet Heinz Hämmerle sein ganzes Leben: „Chancen und Möglichkeiten erkennen und mit viel persönlichem Einsatz zum Ziel führen.“ In der Rickatschwende kann man erleben, wie perfekt er es umgesetzt hat – „des Stickerbosses bestes Stück“.

Text: Irmgard Kramer
Fotos: hiepler, brunier
Archiv: Hämmerle

„Man muss Chancen und Möglichkeiten erkennen und mit viel persönlichem Einsatz zum Ziel führen.“
KR Heinz Hämmerle
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