Sebastian Koch
Film ab!

Rückzug ins eigene Selbst

Er ist einer der großen deutschen Schauspieler, der längst auch in Hollywood einen Namen hat. Ein Gespräch mit Sebastian Koch über das ständige Unterwegssein, seine neuen Projekte und eine Entscheidung, die er mindestens einmal im Jahr ganz bewusst trifft: Sein stressiges Leben zu entschleunigen.

 

Ein stilvolles italienisches Restaurant in Berlins altem Westen: gestärkte weiße Tischdecken, Geschirr klappert, die bodentiefen Fenster sind weit geöffnet, die Gäste genießen das Essen und die warmen Temperaturen. Es ist einer dieser Tage, an denen sich der Sommer noch einmal mit aller Kraft aufbäumt, bevor ihm endgültig die Puste ausgeht. Hier treffe ich einen der ganz großen Schauspieler, die wir in Deutschland haben, einen, der längst weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist: Sebastian Koch. Er spielte an der Seite von Hollywood-Größen wie Tom Hanks, Bruce Willis und Julianne Moore und drehte für „Bridge of Spies“ schon mit Steven Spielberg. Für seine internationalen Rollen ist er dementsprechend oft auf Achse. Aber was macht der Schauspielstar, um seine Akkus aufzuladen? Ein Gespräch mit Sebastian Koch über das ständige Unterwegssein, bewusstes Entschleunigen und den Rückzug ins eigene Selbst.
 

Du bist für deine Projekte ständig auf Reisen. Heute Berlin, morgen London, übermorgen Hollywood. Wann ist ein Sebastian Koch reif für die Insel?

Meistens sagt mir mein Körper, wenn ich Pause machen muss. Das ist dann, wenn ich zu leicht gestresst und müde werde und nichts mehr richtig aufnehmen kann. Ich versuche​dann weniger zu machen, aber meistens schafft man das nicht, weil da noch ein Angebot kommt und man noch dahin und dorthin muss und in der Regel endet das bei mir in einer disziplinierten Kur. Ich versuche, mindestens einmal im Jahr eine solche zu machen.

Einfach mal wieder richtig lange ausschlafen: Damit ist es also nicht getan, wenn die Akkus leer sind und aufgeladen werden müssen?

Nein. Ich nehme mir dann wirklich so zwei bis drei Wochen Zeit und schalte komplett runter.

Erzähl doch mal ein bisschen von dieser Kur. Du warst dafür in der Rickatschwende, richtig?

Das Runterschalten alleine reicht ja nicht. Der Körper ist ja meist genauso geschunden und gequält mit all den Giften und ungesundem Zwischendurch-Essen, was in solchen Situationen der Anspannung nicht ausbleibt. Das Wesentliche dabei ist, dass der Darm gereinigt und entgiftet wird. Die F. X. Mayr Kur, die dort praktiziert wird, ist ideal dafür. Und dazu braucht es wirklich Ruhe. Man muss sich drauf einlassen. Das ist am Anfang gar nicht so einfach und auch relativ anstrengend. Man muss in sich reinhören. Du wirst, um diesen Entgiftungsvorgang zu unterstützen, natürlich auch medizinisch betreut: Ein Team von Ärzten begleitet den Vorgang. Blutwerte messen, bestimmte Massagen, Gespräche über Essgewohnheiten – all so was.

Oh, ist das vergleichbar mit einer Fastenkur?

Man fastet nicht direkt, man isst einfach nur sehr bewusst und sehr langsam, speichelt das Essen sozusagen ein, kaut sehr sehr oft, so dass der Zersetzungsvorgang der Nahrung schon sozusagen im Mund beginnt. ​Man nimmt dem Darm so einige Arbeit ab und um den geht es ja hauptsächlich. Hinzu kommt, dass alle Gifte, die wir sonst so jeden Tag zu uns nehmen, strikt verboten sind.

Nicht mal ein klitzekleines Bierchen am Abend? Einfach nüscht?

Sebastian Koch lacht herzlich: Nüscht, einfach nüscht! Kein Alkohol, kein Zucker, kein Kaffee, kein, kein, kein…

Gerade am Anfang stelle ich mir das unheimlich schwierig vor: Der Magen knurrt, man hat Kohldampf und muss sich zwingen, die leckere Möhrensuppe, die gerade vor einem steht und herrlich duftet, ganz langsam zu essen.

Wir essen sowieso viel zu schnell. Das Essen ist bei einer solchen Kur aber nur ein ganz kleiner, fast unwesentlicher Teil. Man schaltet von jetzt auf gleich mehrere Gänge runter. Es ist wie ein Rückzugsort ins eigene Selbst. Man liest viel, meditiert, wird in der Birne langsam wieder ruhiger und mit der Zeit dann auch wacher. Diese Art der Mayr Kur habe ich ja schon öfter gemacht. In der Rickatschwende war ich allerdings zum ersten Mal. Die ist in Dornbirn, Vorarlberg, mit Blick auf den Bodensee, der immer wieder aus dem Nebel auftaucht; vor allem im Winter, wenn alles verschneit ist, ist es zauberhaft schön. Das Haus ist sehr gut geführt, die Zimmer sind schön, was für mich besonders wichtig ist. Es ist einfach ein Ort, an dem man gerne ist. Ich bin sogar zweimal Ski gefahren, der nächste Lift ist nur 10 Minuten mit dem Bus …

Wenn du dich also entschließt, dir die Zeit für eine solche Kur zu nehmen, wie darf ich mir das vorstellen? Sagst du dann: „Tut mir leid, Herr Spielberg, geht grad nicht, ich muss zur Kur.“

Sebastian Koch schmunzelt: Meistens versuche ich das zwischen zwei Projekte zu packen – mit Zeit. Das Problem in meinem Beruf: Da ist wenig Rhythmus drin. Das ist mühsam. Deshalb ist man meistens nicht so wirklich entspannt. Als ich die Kur in der Rickatschwende festgemacht habe, wusste ich zum Beispiel noch nicht, dass ich schon einen Monat später einen Film mit Julianne Moore in New York drehe. Aber wer sagt schon einen Film mit einer so tollen Schauspielerin ab – natüüürlich wollte ich mit ihr arbeiten! Trotzdem habe ich mir vorgenommen, nie wieder mit einem „Anschlussprojekt“ in eine solche Kur zu gehen. Ich kann mich nicht auf eine Rolle vorbereiten und gleichzeitig völlige Entspannung anstreben. Das widerspricht sich einfach.

Du spielst auf „Bel Canto“ an. In dem Film geht es um eine Geiselnahme in Peru ­Mitte der Neunzigerjahre. Spielst du einen der Geiselnehmer?

Ich spiele den Vermittler. Einen Schweizer. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit.

Im Frühjahr 2018 startet „Werk ohne Autor“ in den Kinos – eine erneute Zusammenarbeit mit Florian Henckel von Donnersmarck, mit dem du bereits für „Das Leben der Anderen“ zusammengearbeitet hast. Ein Zufall?

Mit Florian Henckel von Donnersmarck bin ich seit Jahren sehr eng befreundet, ich arbeite mit niemandem lieber. Wir kennen uns gut, da ist ein großer Respekt, eine große Sensibilität füreinander. „Werk ohne Autor“ liegt ein wunderbares Drehbuch zugrunde, das Florian, wie schon bei „Das Leben der Anderen“, selbst geschrieben hat. Ich bin mir sicher, dass wir wieder einen sehr besonderen Film gemacht haben. Generell drehe ich lieber Filme, bei denen ich mitgestalten kann. Ich engagiere mich immer sehr stark, was nicht immer alle so mögen. Das große Glück ist, dass ich auswählen kann und oft Drehbücher ablehne. Mit Steven Spielberg, den du ja eben schon angesprochen hast, hatte ich auch so eine schöne Begegnung. Das war eine tolle Zusammenarbeit! Das ist ein Mann, der unglaublich erfahren ist und der trotzdem zulässt, dass man zusammen etwas erarbeitet – und das ist großartig. Er braucht diese Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Und er engagiert Leute, die sagen, was sie denken. Es ist ja oft auch ganz überraschend, wenn man auf solche Superstars trifft. Es gibt Superstars, die findet man gar nicht so super und es gibt Superstars, die sind eben wirklich super. Und Steven Spielberg ist definitiv ein super Superstar.

Bist du nach all den Jahren noch manchmal aufgeregt vor einer Szene? Oder hast du durch das Theaterspielen so ein Grundvertrauen in dich und deine Arbeit, das dir sagt: Wird schon schiefgehen.

Ja, klar bin ich immer noch aufgeregt – sehr! Aber ich habe einen guten Instinkt, Intuition und ein gewisses Selbstvertrauen.

Die Erfahrung, mit Spielberg zusammenzuarbeiten, hast du ja jetzt gemacht. Wenn du es dir aussuchen könntest, mit welchem Regisseur hättest du gern gedreht oder würdest du gern noch drehen? Einmal von Stanley Kubrick angeschnauzt werden, das wäre es doch!

Kubrick war nie so ganz meins, obwohl ich ihn sehr bewundere. Ich hätte sicher sehr gerne mit Sydney Pollack zusammengearbeitet, auch mit Anthony Minghella, um bei den Verstorbenen zu bleiben. Aber mein Gott, da gibt es ja so viele! Aber all diese großen Namen, das ist mir letztlich gar nicht so wichtig, mir geht es in erster Linie darum: Was hat mir Spaß gemacht? Was ist interessant? „Die Hard“ war zum Beispiel interessant, aber Spaß geht anders.

Wenn man wie du so oft unterwegs ist, was bedeutet für dich Zuhause? Du bist Schwabe. Bist du noch manchmal in deiner Heimatstadt?

Ich bin da eigentlich fast nie. Meine Mutter lebt noch in Stuttgart in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich wohne in Berlin. Seit April bin ich jetzt fast durchgängig hier und habe endlich mal Pause. Obwohl, so richtig Pause ist das auch wieder nicht, ich halte Lesungen, demnächst muss ich nach London. Was ich gerade mache, ist Freunde treffen, mich ausruhen und ordnen. Ich bin irrsinnig froh, einfach gerade hier zu sein. Wenn man dauernd unterwegs ist, also fokussiert unterwegs wie für Dreharbeiten, da geht ja, was Familie und Freunde angeht, fast nix mehr. Das schon erwähnte Problem ist halt immer dieses Unbeständige. Gerade eben erst hatte ich ein Angebot: Superschöne Rolle, zugesagt. Vor einer Woche dann der Anruf, es wird nicht finanziert. Also die gerade mühsamen Pläne wieder verwerfen und von vorne anfangen. Hach ja, das ist schon mühsam! Selbst wenn du ein Projekt hast, das erst in zwei, drei Monaten ist: Von dem Moment an, wo du weißt, dass du da mitwirkst, bist du nicht mehr richtig frei.

Sebastian Koch schaut auf das Diktiergerät, das vor ihm auf dem Tisch liegt, und fängt wieder an zu lachen. Während er seine Nudeln mit Scampi isst, eilt der Kellner herbei und lässt die Markise ein wenig herunter.

Verena, das wird so schrecklich für dich werden, wenn du das dann alles abhören und aufschreiben musst. Mein Geschmatze hier, also echt, unmöglich!

Ich werde definitiv erwähnen, dass du langsam und mit Bedacht isst – so wie du es gelernt hast!

Oh Gott, das Gegenteil ist der Fall! Ich glaube, ich schlinge, ich hab grad solchen Hunger.

Sitzt du eigentlich auch einfach mal nur faul vor dem Fernseher und schaust Filme oder Serien?

Nicht mehr! Früher war ich so jemand, der öfter durchgezappt hat. Mittlerweile habe ich gar keinen Fernseher mehr, sondern so eine Leinwand. Das ist echt toll, weil ich nur noch ausgewählte Filme sehe, letztlich viel mehr als vorher. Und Serien gucken haut mir meinen ganzen Terminkalender kaputt. Ich hänge davor wie ein Junkie. Ich müsste krank sein, dann würde ich wagen, eine ­Serie zu gucken. Aber man wünscht sich ja ­keine Krankheit, das macht man ja nicht. Außerdem bin ich ein bisschen altmodisch, ich mag gerne Geschichten, die einen Anfang und ein Ende haben. Das liebe ich – die Geschichte. Alles andere ist nur ein Zustand.

Und „Homeland“? Da hast du schließlich selber mitgespielt!

Hm, da habe ich die erste Staffel gesehen, die vierte und ein bisschen von der, in der ich dabei bin. Fast ein bisschen peinlich: Ich habe in meinem Leben bis jetzt nur zwei Serien geguckt.

Zurück zur F. X. Mayr Kur. Was ist, wenn der Alltag einen wieder einholt? Kann man sich da trotzdem auf seine Erfahrungen besinnen?

Na ja! Das kennst du ja bestimmt auch von dir selber: Eine Weile hält man noch Vieles ein, dann lässt es so nach und nach nach …Deshalb ist es ja so wichtig, von Zeit zu Zeit in sich reinzuhören und ganz bewusst die Entscheidung zu treffen, den Körper zu entgiften. Immer dieses Feiern, abends ausgehen, 'ne Flasche Wein trinken. Wenn man das regelmäßig macht, was ich ja tue, dann nimmt man schon auch viel Schrott zu sich. Deswegen ist so eine Kur wirklich was Tolles. Ich kann es nur jedem empfehlen.

Text: Verena Maria Dittrich 
Fotos: Darko Todorovic

Ich genieße es, mal nicht unterwegs zu sein, mal einfach so in den Tag zu leben.
Sebastian Koch
Schauspieler
Sebastian Koch Teelobby